Wirtschaftsspiegel Thüringen – Ausgabe 03/2021

Automotive 9 komponente ist von hoher Bedeutung, da Fahrzeuge mit konventionellen An- trieben mit eher rückläufigen Stück- zahlen verbunden sind, während die Elektromobilität boomt. 65 Prozent der Unternehmen gehen davon aus, dass dieses Jahr weitere Umsatzsteigerungen durch Elektrofahrzeuge zu erwarten sind. Ein großes Problem während der Pan- demie sind die Lieferketten –und das in beide Richtungen. Entweder es fehlt an Zulieferungen oder man wird seine Pro- dukte nicht los. Wie geht es den at-Mit- gliedsfirmen in dieser Hinsicht? Der positive Konjunkturtrend wird in zunehmenden Maße durch Material- knappheit bei gleichzeitig steigenden Rohstoffpreisen bedroht. Die Betriebe der automobilen Zulieferindustrie ha- ben dies in dieser Dimension noch nicht erlebt. Wir sehen aktuell ein wider- sprüchliches Bild. Die Auftragsbücher sind voll, die Perspektiven gut, die Nachfrage ist da – und jetzt fehlt das Material. Die derzeitige Materialknapp- heit erschwert vielen Unternehmen nicht nur die Abarbeitung bereits ange- nommener Aufträge. Auch das Anneh- men neuer Aufträge wird für unsere Mitgliedsunternehmen angesichts der hochdynamischen Entwicklung der Rohstoffpreise zur Herausforderung bei der Angebotskalkulation. Uns wird be- richtet, man müsse bereits feste Ma- terialbedarfe monatsgenau für das nächste halbe Jahr dem Vorlieferanten melden. Die Beherrschung dieser Pla- nungsunsicherheit bei gleichzeitigem Preisdruck wird zu einer weiteren olym- pischen Disziplin in der Zulieferindus- trie. Ein weiterer Dauerbrenner auf der Pro- blemliste ist der Fachkräftemangel. Al- lerdings gingen auch Meldungen über Schließungen von Zulieferbetrieben durch die Presse. Wie drängend ist das Problem für die Branche? Personalverfügbarkeit ist nach wie vor eine der größten Herausforderungen für die Unternehmen. Bei unserer Früh- jahrsumfrage kam heraus, dass 40 Pro- zent der Unternehmen ihre offenen Stellen nicht besetzen können. Dies ist ein beunruhigendes Ergebnis. Als Ur- sachen nennen die Unternehmen Fach- kräfte- und Bewerbermangel und insbe- sondere fehlende Qualifikationen. Die- ser Bedarf an qualifizierten Mitarbeiten- den wird sich nach Meinung der Unternehmen bis 2025 eher noch ver- stärken. Zu erwartende Engpässe sehen sie insbesondere bei Ingenieuren, Me- chatronikern, IT- und Automatisierungs- fachleuten, Qualitäts- und Entwick- lungsmitarbeitern. Engpässe werden aber auch im Werker-Bereich auf dem Shopfloor erwartet, außerdem ein Man- gel an Beschäftigten, die bereit sind, Führungsverantwortung zu überneh- men. Wie können Unternehmen auf dieses Problem reagieren? Was kann Ihr Ver- band dafür tun? Der Strukturwandel findet immer an konkreten Arbeitsplätzen statt, deren Anforderungs- und Qualifikationsprofile sich zügig verändern. Da die Automobil- industrie in Thüringen für die Entwick- lung der Region eine herausragende Bedeutung hat, ist eine Aus- und Weiter- bildungsoffensive dringend geboten, um den Personal- und Qualifikations- bedarf in den Zukunftsfeldern der künf- tigen Automobilproduktion erfüllen zu können. Dies ist eine der Empfehlungen der 2018 vorgestellten Tiefenanalyse, die auch dazu dient, die Standortattrak- tivität Thüringens für Unternehmen und Beschäftigte weiter zu festigen und zu verbessern. Um diese Zielsetzung zu er- reichen, wollen wir die automobilen Zukunftskompetenzen, den Kompetenz- bedarf in der Region, vorhandene Qua- lifizierungsangebote und weitergehen- de Aus- und Weiterbildungsinitiativen durch Bildungsträger in der Region bün- deln. Wir versuchen zudem über Stand- ortmarketing das Vertrauen in die Bran- che zu steigern und auch die Lust und Laune an einer Arbeit im Automobilbau zu wecken. Damit sind wir bei den künftigen Ent- wicklungen. Wo sehen Sie die Zukunfts- felder für die Branche in Thüringen? Unsere Tiefenanalyse hat ergeben, dass in den Sektoren Interieur und Elektrik, Elektronik ein unglaubliches Wachs- tumspotenzial liegt. Thüringen ist im Bereich des Zukunftsfeldes E-Mobilität sehr gut unterwegs, auch dank des Engagements von bestehenden und neuen Lieferanten rund um Batterie, Batterie- und Thermomanagement so- wie Hybrid-Technologien in Westthü- ringen. Hier entsteht etwas Neues von Gewicht, mit in der Perspektive bis zu 5.000 Arbeitsplätzen. Nach der Inte- rieur-Studie starten wir jetzt mit der Umsetzung eines Innovations-Clusters im Verbund mit Firmen aus der Region. Dies hat sehr gute Perspektiven für die neue Generation von elektrischen Fahr- zeugen. Im Segment der leichten Nutz- fahrzeuge haben wir im März gemein- sam mit CATI eine Studie vorgestellt – ein Bereich, der erst jetzt gerade die E- Mobilität entdeckt. (siehe auch Beitrag Seite 21 / die Red.) Potenziale gibt es in Thüringen bei Lieferanten und Aufbau- herstellern. Wir sehen daher gute Chan- cen für Lieferanten mit Leichtbau-, Interieur- und Elektronik-Kompetenz, sich neue Geschäftsfelder im Segment der leichten Nutzfahrzeuge zu erschlie- ßen. Hinzu kommen Überlegungen, ausgewählte Teilbereiche aus dem Zu- kunftsfeld Autonomes Fahren zu for- cieren. Wie bereits in der Tiefenanalyse herausgestellt, denken wir hier insbe- sondere an Themenfelder, in denen die Kompetenzen der Region im Bereich Photonik, Opto-Elektronik und Sensorik besonders gefragt sind. Dies muss in Abstimmung mit potenziellen Akteuren noch konkretisiert werden. Ist das Thema Wasserstoff damit vom Tisch? Die Wasserstofftechnologie ist mittler- weile als wichtiges Element einer Ener- giewende zur Erreichung klimapoliti- scher Ziele anerkannt, sofern dieser auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt wird. Das Spektrum der möglichen Ein- satzgebiete reicht von stationären An- wendungen zur Dekarbonisierung ener- gieintensiver Industrieprozesse (z.B. Stahlerzeugung) bis zur wasserstoffba- Personalverfügbarkeit ist eine der größten Herausforderungen für Unternehmen.

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